Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Die Klä­ge­rin stellt so­ge­nann­te nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­gen her, die die vor­ge­schrie­be­nen An­ga­ben zu Höchst­last (Max), Min­dest­last (Min) und zum Eich­wert (e) aus­schlie­ß­lich im Dis­play an­zei­gen. Der Lan­des­be­trieb Mess- und Eich­we­sen un­ter­sag­te de­ren Ver­trieb gem. § 50 Abs. 2 Nr. 5 Mess- und Eich­ge­setz, da er der Auf­fas­sung war, die­se An­ga­ben müss­ten nach § 15 Abs. 3 Mess- und Eich­ver­ord­nung zwin­gend ana­log auf dem Mess­ge­rät an­ge­bracht wer­den.


Die als Mus­ter­ver­fah­ren er­ho­be­ne Kla­ge wies das Ver­wal­tungs­ge­richt ab. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt än­der­te das erst­in­stanz­li­che Ur­teil und gab der Kla­ge statt. Es war der Auf­fas­sung, die Waa­ge ent­spre­che den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben. Auch ei­ne aus­schlie­ß­lich di­gi­ta­le An­zei­ge zur Höchst­last, Min­dest­last und zum Eich­wert kön­ne bei uni­ons­rechts­kon­for­mer Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts als Auf­schrift ver­stan­den wer­den und die An­for­de­run­gen der gu­ten Sicht­bar­keit, Le­ser­lich­keit und Dau­er­haf­tig­keit er­fül­len.


Hier­ge­gen wen­det sich der Lan­des­be­trieb mit sei­ner durch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 49/2024 vom 16.10.2024

Eu­GH soll Fra­gen zur Aus­le­gung der Richt­li­nie 2014/31/EU (Waa­gen-Richt­li­nie) klä­ren

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heu­te dem Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on zwei Fra­gen zur Aus­le­gung der Richt­li­nie 2014/31/EU vor­ge­legt.


Die Klä­ge­rin im Ver­fah­ren BVer­wG 8 C 7.22 stellt nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­gen her, die die vor­ge­schrie­be­nen An­ga­ben zu Höchst­last (Max), Min­dest­last (Min) und Eich­wert (e) aus­schlie­ß­lich im Dis­play an­zei­gen. Der Be­klag­te un­ter­sag­te de­ren Ver­trieb, da er der Auf­fas­sung ist, die­se An­ga­ben dürf­ten nur in ver­kör­per­ter Form auf dem Mess­ge­rät an­ge­bracht wer­den. Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ge­än­dert und der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auch ei­ne aus­schlie­ß­lich di­gi­ta­le An­zei­ge von Höchst­last, Min­dest­last und Eich­wert kön­ne bei uni­ons­rechts­kon­for­mer Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts als Auf­schrift ver­stan­den wer­den und die An­for­de­run­gen der gu­ten Sicht­bar­keit, Le­ser­lich­keit und Dau­er­haf­tig­keit er­fül­len.


Die Klä­ge­rin im Ver­fah­ren BVer­wG 8 C 8.22 ist Her­stel­le­rin ei­nes Ge­räts zur Ge­wichts­be­stim­mung, das für den Ein­satz im Ein­zel­han­del in Kas­sen­sys­te­me an­de­rer Her­stel­ler in­te­griert wird und so das Wie­gen beim Kas­sen­vor­gang er­mög­licht. Das Ge­rät ver­fügt über kei­ne ei­ge­ne An­zei­ge­ein­rich­tung. Erst nach sei­nem An­schluss an das Kas­sen­sys­tem zeigt die­ses das Wä­ge­er­geb­nis an. Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist strei­tig, ob die­se Ge­rä­te be­reits nach Ab­schluss des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses im Werk der Klä­ge­rin mit CE- und Me­tro­lo­gie-Kenn­zeich­nung ver­se­hen wer­den dür­fen. Die vom Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne Un­ter­sa­gungs­ver­fü­gung hat das Ver­wal­tungs­ge­richt auf­ge­ho­ben­Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung zu­rück­ge­wie­sen­Bei dem Ge­rät han­de­le es sich um ei­ne nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­ge im Sin­ne der Richt­li­nie.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat bei­de Ver­fah­ren aus­ge­setzt und den Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on um Klä­rung fol­gen­der Fra­gen ge­be­ten:


Ent­spricht ei­ne nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­ge den An­for­de­run­gen des Art. 6 Abs. 5 UAbs. 2 in Ver­bin­dung mit An­hang III Nr. 1.1. iv), 1.1 v) und 1.​1.​vi) der Richt­li­nie 2014/31/EU, wenn die An­ga­ben zu Höchst­last, Min­dest­last und Eich­wert nicht in ver­kör­per­ter Form auf dem Ge­rät an­ge­bracht sind, son­dern aus­schlie­ß­lich di­gi­tal und al­ter­nie­rend bei Be­trieb der Waa­ge an­ge­zeigt wer­den?


Stellt ein Mess­ge­rät auch dann ei­ne nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­ge im Sin­ne des Art. 2 Nr. 1 und 2 der Richt­li­nie 2014/31/EU dar, wenn das Wä­ge­er­geb­nis nicht aus­ge­druckt oder sicht­bar an­ge­zeigt, son­dern le­dig­lich ge­spei­chert wird?


BVer­wG 8 C 7.22 - Be­schluss vom 16. Ok­to­ber 2024

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter, OVG 4 A 1278/21 - Ur­teil vom 09. Sep­tem­ber 2022 -

VG Köln, VG 1 K 2672/20 - Ur­teil vom 21. April 2021 -

BVer­wG 8 C 8.22 - Be­schluss vom 16. Ok­to­ber 2024

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter, OVG 4 A 1362/21 - Ur­teil vom 08. Sep­tem­ber 2022 -

VG Köln, VG 1 K 1112/20 - Ur­teil vom 21. April 2021 -


Be­schluss vom 16.10.2024 -
BVer­wG 8 C 7.22ECLI:DE:BVer­wG:2024:161024B8C7.22.0

Vor­la­ge­be­schluss zur Aus­le­gung des Be­griffs der "An­brin­gung ei­ner Auf­schrift" auf ei­ner nicht­selbst­tä­ti­gen Waa­ge

Leit­satz:

Die Fra­ge, ob ei­ne nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­ge den An­for­de­run­gen des Art. 6 Abs. 5 Un­terabs. 2 i. V. m. An­hang III Nr. 1.​1.​iv), 1.1.v) und 1.​1.​vi) der Richt­li­nie 2014/31/EU ent­spricht, wenn die An­ga­ben zu Höchst­last, Min­dest­last und Eich­wert nicht in ver­kör­per­ter Form auf dem Ge­rät an­ge­bracht sind, son­dern aus­schlie­ß­lich di­gi­tal und al­ter­nie­rend bei Be­trieb der Waa­ge an­ge­zeigt wer­den, be­darf ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 8 C 7.22

  • VG Köln - 21.04.2021 - AZ: 1 K 2672/20
  • OVG Müns­ter - 09.09.2022 - AZ: 4 A 1278/21

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 8. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung am 16. Ok­to­ber 2024
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kel­ler,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Hoock und
die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Seegmül­ler, Dr. Meis­ter und
Dr. Nau­mann
be­schlos­sen:

  1. Das Ver­fah­ren wird aus­ge­setzt.
  2. Es wird ge­mäß Art. 267 AEUV ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zu fol­gen­der Fra­ge ein­ge­holt:
  3. Ent­spricht ei­ne nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­ge den An­for­de­run­gen des Art. 6 Abs. 5 Un­terabs. 2 i. V. m. An­hang III Nr. 1.​1.​iv), 1.1.v) und 1.​1.​vi) der Richt­li­nie 2014/31/EU, wenn die An­ga­ben zu Höchst­last, Min­dest­last und Eich­wert nicht in ver­kör­per­ter Form auf dem Ge­rät an­ge­bracht sind, son­dern aus­schlie­ß­lich di­gi­tal und al­ter­nie­rend bei Be­trieb der Waa­ge an­ge­zeigt wer­den?

Grün­de

I

1 Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Form, in der be­stimm­te mess­tech­ni­sche An­ga­ben auf ein­zel­nen Han­dels­waagen­ty­pen dar­ge­stellt wer­den müs­sen.

2 Die Klä­ge­rin pro­du­ziert Waa­gen zur Ver­wen­dung im ge­schäft­li­chen Ver­kehr, die beim Wä­gen das Ein­grei­fen ei­ner Be­dien­per­son er­for­dern (so­ge­nann­te nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­gen). Ihr hier streit­ge­gen­ständ­li­ches Mo­dell stellt sei­ne An­ga­ben zu Höchst­last (Max), Min­dest­last (Min) und Eich­wert (e) der Waa­ge aus­schlie­ß­lich di­gi­tal und al­ter­nie­rend über die An­zei­ge­ein­rich­tung des Ge­räts dar, wo sie bei de­ren Be­trieb mit dem ge­mes­se­nen Wä­ge­er­geb­nis zu se­hen sind. Aus­weis­lich ei­ner von der NMi Cer­tin B.V. 2020 für das Ge­rä­te­mo­dell aus­ge­stell­ten EU-Bau­mus­ter­prüf­be­schei­ni­gung ist der Zu­gang zu der für die An­zei­ge ver­ant­wort­li­chen Soft­ware durch Eich­sie­gel ge­si­chert. Im In­ne­ren des Ge­häu­ses der Wie­ge­platt­form be­fin­det sich ei­ne Jus­tier­sper­re. Wel­che Soft­ware zur An­zei­ge der pri­mä­ren In­di­ka­tio­nen auf den Ge­rä­ten zu­ge­las­sen ist, gibt Nr. 2.1.1 der EU-Bau­mus­ter­prüf­be­schei­ni­gung vor. Je­de Än­de­rung und je­des Her­un­ter­la­den von re­le­van­ter Soft­ware wer­den im Er­eig­nis­log­ger pro­to­kol­liert.

3 Nach­dem Mit­ar­bei­ter des Be­klag­ten an­läss­lich ei­ner Kon­trol­le ei­nes die­ser Ge­rä­te auf die Wie­der­ga­be der Wer­te Max, Min, e in aus­schlie­ß­lich di­gi­ta­ler Form auf­merk­sam ge­wor­den wa­ren, teil­te der Be­klag­te der Klä­ge­rin im Fe­bru­ar 2020 mit, dies ent­spre­che nicht den Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2014/31/EU. Die zwin­gend ge­for­der­te Dau­er­haf­tig­keit der An­ga­be feh­le, da bei Aus­schal­ten der Waa­ge auch die An­zei­ge die­ser mess­tech­ni­schen Wer­te im Dis­play er­lö­sche. Die­se Be­an­stan­dung wies die Klä­ge­rin zu­rück. Nach Sinn und Zweck ge­he es den Vor­ga­ben aus An­hang III Nr. 1.1 der Richt­li­nie 2014/31/EU um die Ma­ni­pu­la­ti­ons­si­cher­heit der An­ga­ben. Die­se soll­ten wäh­rend der ge­sam­ten Le­bens­dau­er der Waa­ge dort vor­han­den sein und dem Ver­wen­der zu­ver­läs­sig Aus­kunft dar­über ge­ben, für wel­chen An­wen­dungs­be­reich (d. h. Mi­ni­mal- und Ma­xi­mal­last) so­wie für wel­che Ge­nau­ig­keit der An­zei­ge (Tei­lungs­wer­te) die Waa­ge kon­zi­piert und im eich­pflich­ti­gen Ver­kehr zu­ge­las­sen sei. Dies sei über das Waa­gen-Dis­play ge­währ­leis­tet.

4 Mit Be­scheid vom 29. April 2020 un­ter­sag­te der Be­klag­te der Klä­ge­rin, ab dem 1. Ju­ni 2020 in Nord­rhein-West­fa­len nicht­selbst­tä­ti­ge Waa­gen in Ver­kehr zu brin­gen, die die Wer­te von Max, Min und e nur di­gi­tal in der An­zei­ge­ein­rich­tung der Waa­ge dar­stell­ten und bei de­nen die­se An­ga­ben an kei­ner an­de­ren Stel­le dau­er­haft auf­ge­bracht sei­en. Zur Be­grün­dung der auf § 50 Abs. 2 Mes­sEG ge­stütz­ten An­ord­nung hieß es im We­sent­li­chen, es be­stehe mehr als ein be­grün­de­ter Ver­dacht, dass Waa­gen der Klä­ge­rin nicht die An­for­de­run­gen ge­mäß § 6 Abs. 5 Mes­sEG er­füll­ten.

5 Die hier­ge­gen er­ho­be­ne Kla­ge hat das Ver­wal­tungs­ge­richt ab­ge­wie­sen. Die Ver­fü­gung sei recht­mä­ßig. Die An­for­de­rung, wo­nach al­le auf Mess­ge­rä­ten vor­ge­se­he­nen Auf­schrif­ten gut sicht­bar, les­bar und dau­er­haft an­ge­bracht wer­den müss­ten, wer­de durch di­gi­ta­le An­zei­gen nicht er­füllt.

6 Auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts ge­än­dert und die an­ge­grif­fe­ne Ver­fü­gung des Be­klag­ten auf­ge­ho­ben. Ent­ge­gen der An­sicht des Ver­wal­tungs­ge­richts sei die Kla­ge be­grün­det. Die an­ge­foch­te­ne Ord­nungs­ver­fü­gung sei rechts­wid­rig und ver­let­ze die Klä­ge­rin in ih­ren Rech­ten. Die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen die Markt­über­wa­chungs­be­hör­den nach § 50 Abs. 2 Mes­sEG ein­schrei­ten dürf­ten, lä­gen nicht vor. Es be­stehe kein be­grün­de­ter Ver­dacht, dass die nicht­selbst­tä­ti­gen Waa­gen der Klä­ge­rin die An­for­de­run­gen nach Ab­schnitt 2 des Mess- und Eich­ge­set­zes nicht er­füll­ten. Den An­for­de­run­gen, die §§ 13, 15 Mess- und Eich­ver­ord­nung für ein In­ver­kehr­brin­gen sol­cher Mess­ge­rä­te auf­stell­ten, ge­nüg­ten die hier in Streit ste­hen­den Ge­rä­te. Der Wort­laut der ein­schlä­gi­gen na­tio­na­len wie uni­ons­recht­li­chen Rechts­vor­schrif­ten schlie­ße ei­ne rein di­gi­ta­le An­zei­ge nicht aus. Für die­ses Ver­ständ­nis spre­che auch die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Vor­schrift, wo­bei nicht au­ßer Be­tracht blei­ben kön­ne, dass die Eu­ro­päi­sche Uni­on bei Er­lass der Richt­li­nie völ­ker­recht­lich an das "Agree­ment on Tech­ni­cal Bar­riers to Tra­de" ge­bun­den ge­we­sen sei. Die auf die­ser Grund­la­ge be­schlos­se­nen Emp­feh­lun­gen der In­ter­na­tio­na­len Or­ga­ni­sa­ti­on für das ge­setz­li­che Mess­we­sen ak­zep­tier­ten ex­pli­zit die rein di­gi­ta­le An­zei­ge der Wer­te Max, Min und e. An­ge­sichts der völ­ker­recht­li­chen Ver­pflich­tung zum Ab­bau von Han­dels­hemm­nis­sen kom­me dem be­son­de­re Be­deu­tung zu.

7 Ge­gen die­se Ent­schei­dung rich­tet sich die von dem Be­klag­ten ein­ge­leg­te Re­vi­si­on, mit der die­ser wei­ter im We­sent­li­chen gel­tend macht, dass ei­ne rein di­gi­ta­le und al­ter­nie­ren­de Dis­play­an­zei­ge nicht den Vor­ga­ben des na­tio­na­len Rechts und der Richt­li­nie ge­nü­gen wür­de.

8 Die Klä­ge­rin ver­tei­digt das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil.

II

9 Das Ver­fah­ren ist aus­zu­set­zen und ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ge­mäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ein­zu­ho­len. Die Aus­le­gung des Art. 6 Abs. 5 Un­terabs. 2 der Richt­li­nie 2014/31/EU des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 26. Fe­bru­ar 2014 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten be­tref­fend die Be­reit­stel­lung nicht­selbst­tä­ti­ger Waa­gen auf dem Markt (ABl. L 96 S. 107) und der im Te­nor be­zeich­ne­ten Be­stim­mun­gen ih­res An­hangs III ist nicht der­art of­fen­kun­dig, dass kein Raum für ver­nünf­ti­ge Zwei­fel blie­be und da­von aus­ge­gan­gen wer­den könn­te, dass auch für die Ge­rich­te der üb­ri­gen Mit­glied­staa­ten der Eu­ro­päi­schen Uni­on die glei­che Ge­wiss­heit über ih­re Aus­le­gung be­stün­de (zu die­sem Kri­te­ri­um vgl. Eu­GH, Ur­teil der Gro­ßen Kam­mer vom 6. Ok­to­ber 2021 - C-561/19 [ECLI:​​EU:​​C:​​2021:​​799], Con­sor­zio - Rn. 40).

10 Die vor­ge­leg­te Fra­ge ist für die Re­vi­si­ons­ent­schei­dung er­heb­lich. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ist zu­läs­sig. Für die Be­gründet­heit der Re­vi­si­on ist ma­ß­geb­lich, ob aus den ge­nann­ten Vor­schrif­ten folgt, dass auch ei­ne rein di­gi­ta­le und al­ter­nie­ren­de An­zei­ge der Wer­te Max, Min und e im Dis­play von nicht­selbst­tä­ti­gen Waa­gen aus­reicht oder ob die­se in ver­kör­per­ter Form an dem Ge­rät dau­er­haft an­ge­bracht sein müs­sen. Trifft Letz­te­res zu, so ist die Re­vi­si­on be­grün­det, weil die Kla­ge ent­ge­gen der Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts in die­sem Fall ab­zu­wei­sen ist.

11 Das ein­schlä­gi­ge na­tio­na­le Recht lau­tet wie folgt:
Mess- und Eich­ge­setz (Aus­zug)
§ 50 Markt­über­wa­chungs­maß­nah­men
(1) Die Markt­über­wa­chungs­be­hör­den kon­trol­lie­ren an­hand an­ge­mes­se­ner Stich­pro­ben auf ge­eig­ne­te Wei­se und in an­ge­mes­se­nem Um­fang, ob Mess­ge­rä­te und sons­ti­ge Mess­ge­rä­te die An­for­de­run­gen nach Ab­schnitt 2 und Fer­tig­pa­ckun­gen und an­de­re Ver­kaufs­ein­hei­ten die An­for­de­run­gen nach Ab­schnitt 4 er­fül­len.
(2) Die Markt­über­wa­chungs­be­hör­den tref­fen die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, wenn sie den be­grün­de­ten Ver­dacht ha­ben, dass die Pro­duk­te die ge­nann­ten An­for­de­run­gen nicht er­fül­len. Sie sind ins­be­son­de­re be­fugt,
...
5. zu ver­bie­ten, dass ein Pro­dukt auf dem Markt be­reit­ge­stellt wird,
...
§ 50a For­ma­le Nicht­kon­for­mi­tät
(1) Die Markt­über­wa­chungs­be­hör­de hat den be­tref­fen­den Wirt­schafts­ak­teur auf­zu­for­dern, die Nicht­kon­for­mi­tät zu kor­ri­gie­ren, wenn sie fest­stellt, dass
1. die Kon­for­mi­täts­kenn­zeich­nung oder die zu­sätz­li­che Me­tro­lo­gie-Kenn­zeich­nung nach ei­ner Rechts­ver­ord­nung nach § 30 Num­mer 4 nicht an­ge­bracht wur­de,
2. die Kon­for­mi­täts­kenn­zeich­nung oder die zu­sätz­li­che Me­tro­lo­gie-Kenn­zeich­nung nach ei­ner Rechts­ver­ord­nung nach § 30 Num­mer 4 un­ter Nicht­ein­hal­tung von § 6 Ab­satz 4 an­ge­bracht wur­de,
...
7. die in § 6 Ab­satz 5, § 23 Ab­satz 2 bis 4 oder § 25 Ab­satz 2 bis 4 ge­nann­ten An­ga­ben feh­len, falsch oder un­voll­stän­dig sind ...
(2) Be­steht die Nicht­kon­for­mi­tät wei­ter, so hat die Markt­über­wa­chungs­be­hör­de die er­for­der­li­chen Maß­nah­men zu tref­fen, um die Be­reit­stel­lung des Mess­ge­räts auf dem Markt zu be­schrän­ken oder zu un­ter­sa­gen oder um da­für zu sor­gen, dass es zu­rück­ge­ru­fen oder zu­rück­ge­nom­men wird.
Mess- und Eich­ver­ord­nung (Aus­zug)
§ 13 Ge­mein­sa­me Vor­schrif­ten für Kenn­zeich­nun­gen und Auf­schrif­ten von Mess­ge­rä­ten und sons­ti­gen Mess­ge­rä­ten
(1) Kenn­zeich­nun­gen und Auf­schrif­ten müs­sen gut sicht­bar, les­bar und dau­er­haft auf dem Mess­ge­rät oder dem sons­ti­gen Mess­ge­rät an­ge­bracht sein; sie müs­sen klar, un­aus­lösch­lich, ein­deu­tig und nicht über­trag­bar sein. Für Kenn­zeich­nun­gen und Auf­schrif­ten müs­sen la­tei­ni­sche Buch­sta­ben und ara­bi­sche Zif­fern ver­wen­det wer­den. An­de­re Buch­sta­ben oder Zif­fern dür­fen zu­sätz­lich ver­wen­det wer­den.
(2) Ist ein Mess­ge­rät zu klein oder zu emp­find­lich, um die er­for­der­li­chen Kenn­zeich­nun­gen oder Auf­schrif­ten zu tra­gen, sind die Kenn­zeich­nung oder Auf­schrif­ten auf den nach § 17 bei­zu­fü­gen­den In­for­ma­tio­nen und auf der Ver­pa­ckung an­zu­brin­gen. Satz 1 ist an­zu­wen­den auf Ge­wichtstü­cke, so­fern an­dern­falls die Mess­rich­tig­keit be­ein­träch­tigt wä­re.
§ 15 Auf­schrif­ten auf Mess­ge­rä­ten
...
(3) Mess­ge­rä­te in Form nicht­selbst­tä­ti­ger Waa­gen sind zu­sätz­lich zu den An­ga­ben nach den Ab­sät­zen 1 und 2 mit fol­gen­den Auf­schrif­ten zu ver­se­hen:
1. der Ge­nau­ig­keits­klas­se, die in ei­nem Oval oder zwi­schen zwei durch Halb­krei­se mit­ein­an­der ver­bun­de­nen ho­ri­zon­ta­len Li­ni­en an­zu­ge­ben ist,
2. der Höchst­last, wo­bei dem Mas­se­wert die Buch­sta­ben­fol­ge "Max" vor­an­ge­stellt ist,
3. der Min­dest­last, wo­bei dem Mas­se­wert die Buch­sta­ben­fol­ge "Min" vor­an­ge­stellt ist,
4. dem Wert in Mas­se­ein­hei­ten zur Ein­stu­fung und zur Ei­chung ei­ner Waa­ge (Eich­wert), wo­bei dem Wert die Zei­chen­fol­ge "e =" vor­an­ge­stellt ist,
...
Die Höchst­last, die Min­dest­last, der Eich­wert und der Tei­lungs­wert müs­sen in der Nä­he der Ge­wichts­an­zei­ge an­ge­bracht sein. Je­de Aus­wer­te­ein­rich­tung, die an ei­nen oder meh­re­re Last­trä­ger an­ge­schlos­sen oder an­schließ­bar ist, muss auch die ent­spre­chen­den Auf­schrif­ten für die­se Last­trä­ger auf­wei­sen.

12 Der an­ge­grif­fe­ne Ver­wal­tungs­akt wä­re ge­mes­sen an dem na­tio­na­len Recht wäh­rend sei­ner ge­sam­ten Gel­tungs­dau­er recht­mä­ßig. Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge bei Er­lass des Be­scheids war § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 Mes­sEG. Der am 15. Ju­ni 2021 - al­so wäh­rend des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens - in Kraft ge­tre­te­ne § 50a Abs.  2 i. V. m. § 50a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Mes­sEG, der für den hier in Re­de ste­hen­den Fall der for­ma­len Nicht­kon­for­mi­tät ein­schlä­gig ist, kann nach deut­schem Ver­fah­rens­recht als spe­zi­el­le­re Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ab dem Zeit­punkt sei­nes In­kraft­tre­tens durch die Ge­rich­te her­an­ge­zo­gen wer­den. Ei­ner ent­spre­chen­den Än­de­rung des Be­scheids durch die Be­hör­de be­darf es nicht. Den durch § 50a Abs. 1 Mes­sEG sta­tu­ier­ten for­mel­len An­for­de­run­gen ist der Be­klag­te durch die vor­he­ri­ge Be­an­stan­dung der Waa­gen der Klä­ge­rin ge­recht ge­wor­den.

13 Der Be­scheid ist nach na­tio­na­lem Recht ma­te­ri­ell recht­mä­ßig. Ge­mäß § 15 Abs. 3 Mes­sEV müs­sen Mess­ge­rä­te in Form nicht­selbst­tä­ti­ger Waa­gen un­ter an­de­ren mit den Auf­schrif­ten Max, Min und e ver­se­hen sein. Die An­ga­ben müs­sen in der Nä­he der Ge­wichts­an­zei­ge an­ge­bracht sein. Ge­mäß § 13 Abs. 1 Mes­sEV müs­sen Auf­schrif­ten gut sicht­bar, les­bar und dau­er­haft an­ge­bracht sein.

14 Der Wort­laut der na­tio­na­len Vor­schrift spricht deut­lich für ei­ne Aus­le­gung, die ein ver­kör­per­tes An­brin­gen die­ser Auf­schrif­ten in Form ei­ner Pla­ket­te, ei­ner Gra­vur oder ei­nes Auf­kle­bers er­for­dert. Denn "An­brin­gen" be­deu­tet ins­be­son­de­re, et­was an ei­ner Stel­le be­fes­ti­gen. Auch das Wort "Auf­schrift" spricht deut­lich da­für, dass die An­ga­ben auf et­was dar­auf ge­schrie­ben wer­den müs­sen, und nicht für ei­ne bloß di­gi­ta­le An­zei­ge. Schlie­ß­lich ist mit dem Wort "dau­er­haft" nach dem all­ge­mei­nen Wort­ver­ständ­nis ge­meint, dass die­se Auf­schrif­ten stets sicht­bar sein müs­sen und nicht nur wäh­rend des Be­triebs der An­zei­ge. Das na­tio­na­le Recht lässt auch nicht er­ken­nen, dass die nor­mier­ten Kenn­zeich­nungs­pflich­ten tech­no­lo­gie­of­fen in dem Sin­ne ge­meint sein könn­ten, dass di­gi­ta­le An­zei­gen mög­lich sind. Zwar spricht die Be­grün­dung der Ver­ord­nung da­von, dass die Re­ge­lung die Art der tech­ni­schen Rea­li­sie­rung von Kenn­zeich­nun­gen und Auf­schrif­ten nicht grund­sätz­lich auf be­stimm­te Tech­no­lo­gi­en ein­schränkt. Die Ver­ord­nungs­be­grün­dung stellt je­doch zu­gleich klar, dass da­bei die in § 13 Abs. 1 Mes­sEV ge­nann­ten An­for­de­run­gen be­ach­tet wer­den müs­sen (vgl. BR-Drs. 493/14 S. 143 f.).

15 Die­ser In­ter­pre­ta­ti­on könn­ten Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts ent­ge­gen­ste­hen. Die Vor­schrif­ten des na­tio­na­len Rechts die­nen der Um­set­zung der Richt­li­nie 2014/31/EU. Ent­spre­chend der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist das zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­las­se­ne na­tio­na­le Recht richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen. Im vor­lie­gen­den Fall ist des­halb ent­schei­dungs­er­heb­lich, ob nach den Re­ge­lun­gen der Richt­li­nie 2014/31/EU auch ei­ne rein di­gi­ta­le und al­ter­nie­ren­de An­zei­ge der Wer­te Max, Min und e im Dis­play der nicht­selbst­tä­ti­gen Waa­ge aus­rei­chend ist. Ist dies der Fall, so wä­re das na­tio­na­le Recht richt­li­ni­en­kon­form in die­sem Sin­ne aus­zu­le­gen.

16 Nach Auf­fas­sung des Se­nats spricht der Wort­laut der Richt­li­nie 2014/31/EU ge­gen ei­ne sol­che Aus­le­gung. Die­se ver­wen­det in ih­rer deut­schen Fas­sung in Art. 6 Abs. 5 Un­terabs. 2 die Wen­dung "brin­gen die Her­stel­ler die ... Auf­schrif­ten an". Dies im­pli­ziert, dass die Her­stel­ler selbst die Auf­schrift an­brin­gen und nicht le­dig­lich ei­ne Ein­rich­tung - wie et­wa ein Dis­play - in die Waa­ge ein­bau­en, die die ent­spre­chen­den Wer­te an­zei­gen kann. Auch die eng­li­sche und fran­zö­si­sche Sprach­fas­sung wei­sen in die­se Rich­tung, wo­bei ins­be­son­de­re die Ver­ben "af­fix" und "ap­po­ser" nach dem Ver­ständ­nis des Se­nats ei­ne ver­kör­per­te An­brin­gung na­he­le­gen und auch nach die­sen Sprach­fas­sun­gen der Vor­gang un­mit­tel­bar durch die Her­stel­ler be­wirkt wer­den muss. Dass in An­hang III 1.4. der Richt­li­nie 2014/31/EU in der eng­li­schen Sprach­fas­sung das Verb "shown" und in der fran­zö­si­schen Sprach­fas­sung das Verb "ap­pa­raître" ge­nutzt wird, spricht gleich­falls nicht für die Mög­lich­keit ei­ner aus­schlie­ß­lich di­gi­ta­len An­zei­ge. Denn bei­de Sprach­fas­sun­gen ma­chen durch die Wor­te "al­so" bzw. "éga­le­ment" deut­lich, dass hier nur das Er­for­der­nis ei­ner zu­sätz­li­chen An­zei­ge, nicht je­doch die Zu­läs­sig­keit ei­ner aus­schlie­ß­lich di­gi­ta­len An­zei­ge nor­miert wird. Ge­ra­de die Tat­sa­che, dass die Ver­ben "shown" und "ap­pa­raître", de­nen ei­ne di­gi­ta­le An­zei­ge ein­deu­tig un­ter­fal­len wür­de, nur im Kon­text ei­ner wei­te­ren An­zei­ge ge­nutzt wer­den, spricht da­ge­gen, dass auch ei­ne ein­zi­ge Auf­schrift di­gi­tal an­ge­zeigt wer­den kann.

17 Schlie­ß­lich las­sen die Er­wä­gungs­grün­de der Richt­li­nie kei­nen si­che­ren Schluss auf ein an­de­res Er­geb­nis zu. Die in die­sen ent­hal­te­nen Zie­le, die All­ge­mein­heit vor un­rich­ti­gen Wä­ge­er­geb­nis­sen zu schüt­zen (Er­wä­gungs­grund 5), das ho­he Ni­veau des Schut­zes der durch die Richt­li­nie ge­schütz­ten öf­fent­li­chen In­ter­es­sen (Er­wä­gungs­grund 7) zu ge­währ­leis­ten, die Vor­ga­ben auf die we­sent­li­chen mess­tech­ni­schen und tech­ni­schen An­for­de­run­gen zu be­schrän­ken (Er­wä­gungs­grund 17) und das Funk­tio­nie­ren des Bin­nen­mark­tes si­cher­zu­stel­len (Er­wä­gungs­grund 47), sind al­le­samt zur rich­ti­gen Form der An­zei­ge der An­ga­ben zu Max, Min und e we­nig aus­sa­ge­kräf­tig.

18 Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus den Emp­feh­lun­gen R 76-1 2006 der Or­ga­ni­sa­ti­on In­ter­na­tio­na­le de Mé­tro­lo­gie Lé­ga­le (OIML). Die­se Emp­feh­lun­gen las­sen zwar an­ders als die Vor­gän­ger­emp­feh­lun­gen aus dem Jahr 1988 rein dis­play-ge­stütz­te An­zei­gen der An­ga­ben Max, Min und e ex­pli­zit zu. Sie ha­ben je­doch für die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts kei­ne bin­den­de Wir­kung. Ei­ne sol­che Wir­kung kommt schon WTO-Recht grund­sätz­lich nicht zu (vgl. Eu­GH, Ur­teil vom 23. No­vem­ber 1999 - C-149/96 [ECLI:​​EU:​​C:​​1999:​​574], Por­tu­gal - Rn. 42). Die feh­len­de Rechts­ver­bind­lich­keit der Emp­feh­lun­gen folgt zu­dem auch aus de­ren Rechts­grund­la­gen. Sie be­ru­hen auf dem Über­ein­kom­men über tech­ni­sche Han­dels­hemm­nis­se. Des­sen Ar­ti­kel 2.4. ver­pflich­tet die Mit­glie­der le­dig­lich, die von in­ter­na­tio­na­len Nor­mie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen be­schlos­se­nen in­ter­na­tio­na­len Nor­men, hier al­so je­ner der OIML, als Grund­la­ge ih­rer ei­ge­nen tech­ni­schen Vor­schrif­ten zu ver­wen­den. Ei­ne strik­te Bin­dung wird hier­mit nicht fest­ge­legt. Viel­mehr stellt das ge­nann­te Über­ein­kom­men schon in sei­nen Er­wä­gungs­grün­den klar, dass kein Mit­glied dar­an ge­hin­dert wer­den soll, für er­for­der­lich ge­hal­te­ne Maß­nah­men zu tref­fen, so­weit die­se nicht Mit­tel zur will­kür­li­chen oder un­ge­recht­fer­tig­ten Dis­kri­mi­nie­rung zwi­schen un­ter­schied­li­chen Mit­glied­staa­ten sind. Fol­ge­rich­tig be­zeich­net die OIML die von ihr aus­ge­ar­bei­te­ten Stan­dards als "Emp­feh­lun­gen". Sind die ge­nann­ten Emp­feh­lun­gen dem­nach nicht rechts­ver­bind­lich, so spricht Über­wie­gen­des da­für, dass der Richt­li­ni­en­ge­ber durch die un­ver­än­der­te wört­li­che Wie­der­ho­lung der Emp­feh­lun­gen aus dem Jahr 1988, die ei­ne aus­schlie­ß­lich di­gi­ta­le An­zei­ge noch nicht - je­den­falls nicht ex­pli­zit - er­laub­ten, und nicht je­ner aus dem Jahr 2006, in de­nen die­se Mög­lich­keit vor­ge­se­hen war, rein di­gi­ta­le An­zei­gen nicht zu­zu­las­sen be­ab­sich­tig­te.

19 Re­le­van­te Zwei­fel an die­ser Aus­le­gung be­stehen aber des­halb, weil im Amts­blatt der Eu­ro­päi­schen Uni­on vom 11. Sep­tem­ber 2015 (ABl. C 300 S. 3) ein Hin­weis auf die DIN EN 45501:2015 ver­öf­fent­licht wur­de. De­ren Zif­fer 7.1.2 Buchst. a sieht vor, dass die Wer­te Max, Min und e - al­ter­na­tiv zu ei­ner An­brin­gung am Ge­rät - dau­er­haft und gleich­zei­tig auf der An­zei­ge­ein­rich­tung für das Wä­ge­er­geb­nis an­ge­zeigt wer­den, so­lan­ge die Waa­ge ein­ge­schal­tet ist. Hier­durch wird ei­ne rein di­gi­ta­le Form der An­zei­ge, wie sie sich auf den klä­ge­ri­schen Waa­gen fin­det, er­laubt.

20 Die­se Dis­kre­panz zwi­schen dem Wort­laut der Richt­li­nie und dem In­halt der har­mo­ni­sier­ten Norm führt nach Auf­fas­sung des Se­nats da­zu, dass kei­ne zwei­fels­freie Be­ant­wor­tung der auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge mög­lich und des­halb ei­ne Vor­la­ge an den Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­der­lich ist. In­so­weit ist zu­nächst zu be­ach­ten, dass aus der Nor­men­hier­ar­chie des Ge­mein­schafts­rechts fol­gen dürf­te, dass ei­ne har­mo­ni­sier­te Vor­schrift von den Vor­ga­ben ei­nes Se­kun­där­rechts­akts nicht ab­wei­chen kann (zum Cha­rak­ter sol­cher Stan­dar­di­sie­run­gen als Teil des Uni­ons­rechts vgl. zu­letzt Eu­GH, Ur­teil vom 5. März 2024 ‌- C-588/21 P [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​201], Pu­blic Re­sour­ce - Rn. 70). Zu­gleich bringt die Kom­mis­si­on mit der Mit­tei­lung der har­mo­ni­sier­ten Vor­schrift im Amts­blatt ge­mäß Art. 10 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 der Ver­ord­nung (EU) Nr. 1025/2012 zum Aus­druck, dass die har­mo­ni­sier­te Norm ih­rer Auf­fas­sung nach der Richt­li­nie 2014/31/EU ent­spricht. Da­bei folgt aus ei­ner har­mo­ni­sier­ten Norm grund­sätz­lich ei­ne Kon­for­mi­täts­ver­mu­tung für ein ihr ent­spre­chen­des Pro­dukt. Die­se Kon­for­mi­täts­ver­mu­tung be­steht nach Art. 12 und 13 Richt­li­nie 2014/31/EU zwar nur mit den we­sent­li­chen An­for­de­run­gen ge­mäß An­hang I der Richt­li­nie. Die vor­lie­gend strei­ti­gen Re­ge­lun­gen der Richt­li­nie fin­den sich je­doch in ih­rem An­hang III. Al­ler­dings ent­hält Er­wä­gungs­grund 17 der Richt­li­nie ei­ne sol­che Ein­schrän­kung der Be­deu­tung der Kon­for­mi­täts­ver­mu­tung für An­for­de­run­gen aus An­hang I nicht. In­wie­weit die Kon­for­mi­täts­ver­mu­tung vor­lie­gend ein­schlä­gig ist, bleibt des­halb un­klar. Un­ab­hän­gig von der An­wend­bar­keit der Kon­for­mi­täts­ver­mu­tung dürf­te im Üb­ri­gen ei­ner har­mo­ni­sier­ten Vor­schrift le­dig­lich ei­ne wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung der Über­ein­stim­mung mit se­kun­där­recht­li­chen Vor­ga­ben zu ent­neh­men sein, die ins­be­son­de­re dann ent­fällt, wenn die har­mo­ni­sier­te Vor­schrift man­gel­haft ist, vgl. Art. 37 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b Richt­li­nie 2014/31/EU. Die Fra­ge der rich­ti­gen Aus­le­gung des Art. 6 Abs. 5 Un­terabs. 2 i. V. m. An­hang III Nr. 1.​1.​iv), 1.1.v) und 1.​1.​vi) der Richt­li­nie 2014/31/EU ist des­halb dem Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on vor­be­hal­ten.